Gut 6 Jahre sind seit Buschingers Beitrag „Risiken und Gefahren zunehmenden internationalen Handels mit Ameisen zu Privat-Haltungszwecken“ vergangen.

Mittlerweile ist ein neuer Artikel mit dem Titel „Invasiveness is linked to greater commercial success in the global pet trade“ bereits online erschienen.  Leider wie so oft hinter einer Paywall von $10 weggesperrt.

Aber die Zusammenfassung und die Anhänge geben trotzdem schon einigen Aufschluss darüber, wie herangegangen wurde, daher kann man sich das Geld getrost sparen.

Inhalt

Herangehensweise

Betrachtet wurde der Tier- und auch der Pflanzenhandel.

Es wurde erfasst, wie viele Arten global online gehandelt wurden wie viele invasive Arten es gibt und wie hoch der Anteil der invasiven Arten an der Anzahl der gehandelten Arten ist. Dabei wurde nach verschiedenen Tieren und Pflanzen allgemein unterschieden.

Schlussfolgerung und Forderung

Der Artikel kommt zur Schlussfolgerung, dass der Tierhandel nicht nur Möglichkeiten für Invasoren schafft, sondern besonders invasive Arten bevorzugt:

This indicates that the pet trade not only creates opportunities for invasions, but that it favors specifically invasive species.

Aufgrund dieser Schlussfolgerung fordert man die strenge internationale Regulierung des Handels mit Tieren als Haustiere:

These findings call for the rapid implementation of strict international regulations of the trade in animals as pets.

Kritik

Pflanzen komplett ignoriert

Die eigentliche Schlussfolgerung aus den ganzen Daten müsste folgende sein:

Wir haben festgestellt, dass im Tierhandel im Vergleich zum Handel der Anteil an invasiven Arten deutlich geringer ist. Daher fordern wir zunächst eine strenge internationale Regulierung des Handels mit Pflanzen als Schauobjekte, bevor wir uns dem Tierhandel zuwenden.

Aber natürlich ist das nicht geschehen, denn wir alle wissen, dass der Pflanzenhandel eine zu große Lobby hat.

Jeder mag exotische Pflanzen, jeder hat welche im Garten, im Haus (vermutlich auch die Verfasser dieses Artikels), daher konzentriert man sich lieber auf Tiere, die eine geringere Lobby haben. Ameisenhalter dürften wohl die geringste Vertretung haben, also sind sie ein besonderes Ziel für Umweltschützer, die gerne alles Überregulieren möchten.

Wer mir nicht glaubt, kann sich ja diese Tabelle ansehen:

Tabelle invasiver Arten, überrepräsentation bei Pflanzen und anderen Tieren

Pflanzen haben den größten Anteil an invasiven Arten bei den gehandelten. Noch dazu werden 38% aller bekannten invasiven Pflanzenarten auch gehandelt. Bei Ameisen sind es lediglich 22% (allerdings habe ich so meine Zweifel an der Richtigkeit der Daten, siehe unten).

Zumal wird nicht berücksichtigt, dass eine Vielzahl der invasiven Ameisenarten erst durch Pflanzen eingeschleppt wurden. Daher ist der Handel mit Pflanzen nicht nur für die Verbreitung invasiver Pflanzenarten verantwortlich, sondern auch für die Verbreitung invasiver Ameisenarten und anderer Arthropoden.

Mir ist also völlig schleierhaft, warum man nicht die strikte Regulierung des internationalen Pflanzenhandels fordert, wenn die Zahlen eindeutig zeigen, dass dies der Bereich mit der größten Überrepräsentierung invasiver Arten ist.

Sehr viele invasive Ameisenarten

Etwas stutzig wurde ich bei der großen Anzahl von invasiven Arten bei den Ameisen und auch die hohe Anzahl der gehandelten invasiven Ameisenarten. Sicher es werden Arten wie Pheidole megacephalla, Tetramorium bicarinatum usw. gehandelt, allerdings erscheint mir die Zahl von 57 etwas hoch.

Dass als Quelle Antmaps.org angegeben wurde, erklärt vermutlich die hohe Anzahl der invasiven Ameisenarten. Denn bei Antmaps.org wird lediglich (wenn man von den nicht bestätigten, Innenraumsichtungen usw. absieht) nur zwischen einheimisch (native) und nicht einheimisch (exotisch). Jetzt ist natürlich die Frage, welche Definition man von „invasive Art“ heranzieht. Da der Artikel aber klar mit dem Naturschutz argumentiert, sollte man auch die in diesem Bereich gängige Definition von „invasiver Art“ verwenden:

Im Naturschutz werden die gebietsfremden Arten als invasiv bezeichnet, die unerwünschte Auswirkungen auf andere Arten, Lebensgemeinschaften oder Biotope haben.

Somit ist die Anzahl der genannten invasiven Ameisenarten (aus Sicht des Naturschutzes) viel zu hoch, da nur ein Bruchteil der genannten Arten auch wirklich einheimische Ameisenarten verdrängen oder sonstige unerwünschten Auswirkungen haben. Realistischer wäre die Liste der global invasive species database. Dort werden lediglich 19 Ameisenarten als invasiv gelistet, deutlich weniger also als die 255 in der Studie.

Die Liste der invasiven Ameisenarten (Dataset_S04) kann man sich auch hier auf google docs ansehen.

Keinerlei Berücksichtigung des Klimas

Da lediglich betrachtet wurde, wie viele invasive Ameisenarten global gehandelt werden, wurde nicht berücksichtigt, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich eine bestimmte Art im Handelsgebiet ausbreitet.

Beispielsweise ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich Solenopsis invicta hier ausbreiten wird, da sie eine subtropische Art ist und daher den Winter im Freien nicht überleben wird. Noch geringer sind die Chancen tropischer invasiver Arten wie Pheidole megacephalla, die ein noch wärmeres Klima benötigen.

Man sieht sehr schön bei der Art Solenopsis invicta in den USA, dass das Klima eine natürliche Barriere darstellt, so ist sie in den nördlichen Staaten der USA und auch in Kanada nicht im Freien präsent:

Verbreitung von Solenopsis invicta in den USA Quelle: antmaps
Verbreitung von Solenopsis invicta in den USA, Quelle: antmaps.org

Verkaufszahlen wurden nicht berücksichtigt

Wichtig um das Risiko beurteilen zu können wären die genauen Verkaufszahlen der einzelnen Arten. Selbst wenn ein Shop eine Ameisenart lediglich einmalig im Angebot gehabt hätte, würde sie dort auftauchen. Dabei ist es doch aber ein Unterschied ob im Jahr 5000 Kolonien einer Art global verkauft werden oder lediglich 10.

Handel mit Ameisen noch zu neu?

Es wird erwähnt, dass der Ameisenhandel noch zu neu sei, um für die Verbreitung verantwortlich zu sein:

To test this, we focused on the emergent pet trade in ants, which is too recent to be responsible for any invasions so far.

Mittlerweile gibt es den kommerziellen Ameisenhandel in Europa seit über 21 Jahren, warum sollten 21 Jahre also zu neu sein, um invasive Ameisenarten hervorzubringen? Evtl. zeigt diese lange Zeitspanne ohne neue invasive Ameisenarten ja auch, dass die Gefahr so gering ist und es deshalb zu keinen neuen Invasionen durch den Ameisenhandel kommt?

Meinung

Wie damals beim Artikel von Herrn Buschinger frage ich mich, wie groß ist denn nun die Gefahr? Dass eine Gefahr besteht, ist unbestreitbar. Ich kann morgen aus der Tür gehen und mich kann dann ein Meteorit erschlagen, es besteht eine Chance, dass dies passiert. Genauso würde das Verbieten von Holzkohlegrills einen Beitrag zum Klimaschutz haben. Auch kann es passieren, dass ein Teelicht umgestoßen wird und somit ein Brand verursacht wird, bei dem auch Menschen zu Schaden kommen können.

Die wirkliche Frage ist aber, wie groß ist die Chance, dass so etwas passiert, oder wie groß ist der Beitrag? Soll man also Holzkohlegrills verbieten, nur weil sie einen (noch so kleinen) Beitrag zur Klimaerwärmung darstellen. Ist das Verbieten von Teelichtern gerechtfertigt, da die Chance besteht, dass dadurch Menschen zu Schaden kommen? Oder sollte man Schutzmaßnahmen treffen, die das Erschlagen durch Meteoriten vor der Haustüre unterbinden?

Die Antwort dürfte bei diesen Vergleichen sehr eindeutig sein, aber auch beim Thema der Regulierung des Tierhandels sollte man sich fragen, ob die Personen, die neue Regulierungen, Verbote usw. fordern, auch genug Belege dafür liefern, dass von beispielsweise dem Ameisenhandel eine akute Gefahr ausgeht.

Genau diese Belege liefert der Artikel nicht.

Update

Schön ist, dass sich außer der üblichen Kopfnicker jetzt auch kritische Stimmen im Ameisenportal zu Wort melden, verwunderlich ist die top 10 der meistverkauften „invasiven“ Arten:

1- Lasius niger – 48 Verkäufer
2- Tetramorium immigrans – 24 Verkäufer (wer die wohl bestimmt hat?)
3- Messor structor – 22 Verkäufer
4- Myrmica rubra – 20 Verkäufer
5- Camponotus pennsylvanicus – 13 Verkäufer
6- Crematogaster scutellaris – 13 Verkäufer
7- Formica rufibarbis – 10 Verkäufer
8- Solenopsis geminata – 9 Verkäufer
9- Lasius emarginatus – 9 Verkäufer
10- Aphaenogaster senilis – 6 Verkäufer

Ja das sind wirklich äußerst invasive Arten.

Bis auf zwei Arten kommen alle in Europa (5 davon sogar in D einheimisch) vor und bei Camponotus pennsylvanicus wird ein „Indoor introduced“ auch als invasiv gezählt. Man kann nur hoffen, dass die zuständigen Behörden, Gremien solche „Studien“ sorgfältig untersuchen und dadurch die ganzen Fehler ebenso aufdecken. Wobei aus Sicht der Autoren handelt es sich sicher gar nicht um Fehler, immerhin bestärkt es ja ihre Ideologie.

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