Warum ihr keine Tetramorium bicarinatum Kolonie kaufen solltet

Quelle Beitragsbild: https://www.inaturalist.org/photos/243353478; © Jonghyun Park; CC BY 4.0

Extrem schnelles Wachstum durch Inzucht

Tetramorium bicarinatum ist eine Ameisenart, die ein extrem schnelles Koloniewachstum aufweist. Dies liegt vor allem daran, dass die Art Inzucht betreibt.

Normalerweise vermehren sich Ameisenarten durch Schwarmflüge: Männliche und weibliche Geschlechtstiere paaren sich während des Hochzeitsfluges, und die begatteten Königinnen gründen anschließend eine neue Kolonie. Dies setzt allerdings voraus, dass ein richtiger Schwarmflug stattfindet, denn ansonsten paaren sich die Geschlechtstiere derselben Kolonie in der Regel nicht.

Anders verhält es sich jedoch bei Tetramorium bicarinatum. Dort verpaaren sich die Geschlechtstiere bereits im Nest mit ihren eigenen Geschwistern (Inzucht). Die begatteten Königinnen werfen daraufhin ihre Flügel ab und können sofort mit der Produktion neuer Arbeiterinnen beginnen.

Dies führt dazu, dass die Wachstumsrate extrem ansteigt. Eine einzige Königin kann zwar auch ihre Legerate enorm steigern, allerdings ist irgendwann keine weitere Steigerung mehr möglich. Anders sieht es aus, wenn die Anzahl der begatteten Königinnen quasi unbegrenzt durch Inzucht anwachsen kann. Das Wachstum ist dann nur noch durch das Nahrungsangebot und die Geschwindigkeit der Proteinverwertung begrenzt.

Giftstachel erschwert die Pflege

Zwar ist das Gift dieser Ameisen für Menschen, die nicht dagegen allergisch sind, ungefährlich, doch ist ein Stich deutlich schmerzhafter als der Biss einer Ameise vergleichbarer Größe.

Zu Beginn der Haltung ist es noch gut möglich, Tränken aufzufüllen, Müll zu entfernen oder die Outworld (Becken/Arena) sauber zu halten. Wenn die Kolonie jedoch eine gewisse Größe erreicht hat (was durch die beschriebene Inzucht relativ zügig geschieht), wird die Wartung und Pflege zum Spießrutenlauf. Es lässt sich kaum vermeiden, dass Ameisen auf die Hände krabbeln und man gestochen wird.

Was anfangs noch Freude bereitet hat, wird zu einer notwendigen, aber unangenehmen Aufgabe, die mit schmerzhaften Stichen verbunden ist.

Hohe Ausbruchsneigung

Tetramorium bicarinatum weist aufgrund ihres schnellen Wachstums und der nahezu unbegrenzten Anzahl möglicher Arbeiterinnen ein sehr hohes Ausbruchspotenzial auf.

Ab einer gewissen Koloniegröße werden die Ameisen permanent versuchen, aus dem Becken auszubrechen. Dies liegt nicht nur an ihrer ständigen Nahrungssuche, sondern auch an ihrem natürlichen Drang zur Territoriumserweiterung. Wird der Ausbruchschutz vernachlässigt, beispielsweise weil die Pflege der Anlage nicht mehr ohne Stiche möglich ist, kann es zum Worst-Case-Szenario eines jeden Ameisenhalters kommen: Hunderte oder gar Tausende Tiere laufen plötzlich frei in der Wohnung herum und müssen mühsam wieder eingefangen werden.

Ein eindrucksvolles Beispiel eines solchen Ausbruchs zeigt der YouTuber „Ameisen“ in einem seiner Videos:

Zweignestbildung und Überleben in der Wohnung

Die bisher genannten Aspekte mögen bereits problematisch erscheinen, doch der Hauptgrund, weshalb von der Haltung dieser Art abzuraten ist, folgt erst jetzt.

Tetramorium bicarinatum produziert nicht nur kontinuierlich neue Königinnen, die sich durch Inzucht fortpflanzen und weitere Arbeiterinnen hervorbringen können, sondern versucht auch aktiv durch Zweignestbildung ihr Koloniegebiet stetig zu erweitern.

Wird ein geeigneter neuer Nestbereich entdeckt, legen eine oder mehrere Königinnen zusammen mit Arbeiterinnen dort ein weiteres Nest an. Diese sogenannten Zweig- oder Satellitennester bleiben zwar mit dem Hauptnest verbunden, sind aber auch eigenständig überlebensfähig.

Dies wird besonders kritisch, wenn nach einem größeren Ausbruch solche Zweignester unbemerkt irgendwo im Haus oder in der Wohnung entstehen. Selbst wenn der Großteil der ausgebrochenen Ameisen wieder eingefangen und die Schwachstelle im Ausbruchschutz beseitigt wurde, kann bereits eine Königin mit einigen Arbeiterinnen unbemerkt ein Zweignest angelegt haben.

Bei der Wahl des Neststandorts zeigt sich Tetramorium bicarinatum äußerst anpassungsfähig. Die Art kommt auch mit trockenen Nestern zurecht und kann praktisch jeden Bereich mit Hohlräumen besiedeln. Im „Ameisen an die Macht“-Discord wurde von einem Halter berichtet, der ein Zweignest in einem Aquarienheizstab entdeckte. Weitere dokumentierte Fälle zeigen Nestkonstruktionen in Elektrogeräten, hinter Sockelleisten, oberhalb von Holzdecken oder unterhalb von Parkettböden.

Bleibt ein Zweignest unentdeckt, wird diese neue Teilkolonie zunächst weitere Arbeiterinnen und später auch Geschlechtstiere produzieren, die sich wiederum durch Inzucht vermehren. Sobald ausreichend begattete Königinnen vorhanden sind und das Zweignest eine entsprechende Größe erreicht hat, beginnt der Zyklus der Expansion durch weitere Zweignestgründungen von neuem.

Diese Eigenschaften erschweren auch eine erfolgreiche Bekämpfung mit Gift erheblich, da sämtliche begatteten Königinnen eliminiert werden müssen, um die vollständige Vernichtung der Kolonie sicherzustellen. Überlebt auch nur eine begattete Königin mit wenigen Arbeiterinnen, kann die Kolonie sich regenerieren, erneut Geschlechtstiere produzieren und durch Inzucht vermehren. Dies kann dazu führen, dass nach einigen Jahren ein ähnlich großes Problem wie vor der Bekämpfung entsteht.

Fazit

Von der Haltung von Tetramorium bicarinatum rate ich dringend ab. Die Risiken sind einfach zu groß: schnelles Wachstum durch Inzucht, schmerzhafte Stiche, häufige Ausbrüche und die Gefahr, dass sich die Ameisen durch Zweignester dauerhaft in der Wohnung festsetzen.

Es gibt so viele andere spannende Ameisenarten, die sich gut halten lassen und deutlich weniger Probleme verursachen.

Besonders Einsteiger sollten unbedingt die Finger von dieser Art lassen. Die Kolonien wachsen zu schnell und werden zu aggressiv – selbst erfahrene Halter haben damit Schwierigkeiten. Bei einem Ausbruch, der fast vorprogrammiert ist, können sich die Ameisen durch Zweignester in der Wohnung einnisten und sind dann kaum noch loszuwerden.

Dass MyAnts (https://www.myants.de/tetramorium-bicarinatum/) diese Art als „ideal für Einsteiger“ bewirbt und die Ausbruchsintensität lediglich mit „mittel“ angibt, ist daher meiner Ansicht nach völlig unverantwortlich:

Diese Art ist ideal für sowohl erfahrene Ameisenhalter als auch für Einsteiger, denn sie ist nicht nur spannend zu beobachten, sondern auch unkompliziert in der Pflege.

Ausbruchsintensivität: mittel

Schreibe einen Kommentar