Mit welcher Ameisenart anfangen?

Einleitung

So wie Homer Simpson geht es wohl auch einigen bei der Ameisenhaltung.

Nachdem man sich dazu entschlossen hat, mit der Ameisenhaltung anzufangen, stellt sich natürlich sofort die Frage, mit welcher Ameisenart man am besten beginnen sollte. Dazu gibt es sehr viele verschiedene Ansichten, je nachdem, wen und in welchen Foren man fragt. In diesem Beitrag könnt ihr meine Meinung zu diesem Thema nachlesen.

Die Qual der Wahl

Mit einheimischen Arten anfangen?

Oft liest man, dass nur einheimische Arten für den Einstieg in die Ameisenhaltung geeignet wären. Das ist meiner Ansicht nach völliger Quatsch.  Es gibt nämlich nicht nur einfach zu haltende einheimische Arten, sondern auch schwierig zu haltende. Letztere sind alles andere als gut für den Einstieg geeignet.

Während einheimische Arten meist recht günstig zu beschaffen sind und man sie zur Not auch wieder bedenkenlos in die Natur entlassen kann, haben sie den großen Nachteil der Winterruhe. Gerade die Winterruhe ist bei vielen Neulingen eine besonders kritische Zeit, weil in diesem Zeitraum die Gefahr relativ groß ist, dass die Kolonie eingeht, da bestimmte Dinge, wie Feuchtigkeit nicht kontrolliert wurden. Auch hat man gerade im Herbst und Winter, wenn man besonders viel in der Wohnung ist, kaum etwas von den Ameisen, da sie sich ja in der Winterruhe befinden.

Auf der anderen Seite kann man exotische Arten meist das ganze Jahr über beobachten (es gibt allerdings auch Phasen mit geringerer Aktivität) und hat auch während der Winterzeit viel zu sehen. Der große Nachteil der exotischen Ameisen ist allerdings deren Preis. Je nachdem, welche Art man haben will, sollten 50€ oder mehr für eine kleine Kolonie eingeplant werden. Auch darf man nicht einheimische Arten nicht einfach in die Natur entlassen, das ist nämlich verboten.

Wenn man sich noch nicht 100 % sicher ist, ob die Ameisenhaltung das richtige ist, sollte man besser eine einheimische Art wählen, da der finanzielle Verlust bei einem Versterben der Kolonie nicht so groß ist und man die Tiere zur Not auch in die Natur entlassen darf. Ist man sich allerdings schon recht sicher, dass die Ameisenhaltung das richtige ist, macht man sicher mit einer exotischen Art nichts falsch und kann sich auch während des Herbstes und Winters an den Tieren erfreuen.

Was macht eine gute Einsteigerart aus?

Arten, die besonders gut für den Haltungseinstieg geeignet sind, sollten folgende Eigenschaften haben:

  • einfach zu halten: Die Art sollte Haltungsfehlern nicht sofort eingehen und geringe Anforderungen an Temperatur und Luftfeuchtigkeit haben.
  • nicht zu teuer: Es macht keinerlei Sinn, sich eine Art für mehrere hundert Euro zu kaufen, nur um dann in einigen Monaten festzustellen, dass die Ameisenhaltung nicht das richtige für einen ist.
  • moderates Wachstum: Ein zu langsames Wachstum kann einen gerade am Anfang sehr verunsichern, da man sich eh immer fragt, ob man alles richtigmacht. Zu schnelles Wachstum kann auf der anderen Seite aber gerade Einsteiger schnell überfordern, da schneller als gedacht neue Nester fällig werden und der Ausbruchsschutz auch häufiger erneuert werden muss.
  • nicht zu klein: Sehr kleine Arten (z. B. Pheidole sp., Solenopsis fugax, Temnothorax sp., Tetramorium sp. usw.) stellen eine besonders große Herausforderung dar, da sie so gut wie jede noch so kleine Lücke im Lauf der Zeit finden und diese zum Ausbruch nutzen werden. Daher muss man bei diesen Arten besonders auf ein ausbruchsicheres Nest und Becken achten und den Ausbruchsschutz noch häufiger kontrollieren und erneuern. Auch sind diese Arten nicht so gut zu handhaben wie größere Arten, da es immer schwieriger wird, einzelne heruntergefallene Ameisen mit dem Finger vorsichtig wieder ins Becken zurückzusetzen. Wenn man vorhat, einen Haltungsbericht zu schreiben, sind natürlich Fotos der Tiere auch sehr wichtig. Je kleiner die Ameisenart ist, desto schwerer wird es allerdings, gute Bilder zu machen.
  • geringe Verletzungsgefahr: Keine Ameisenart ist für einen Menschen, der nicht gegen deren Stiche allergisch ist, gefährlich. Ist man aber bereits gegen z. B. Bienen oder Wespenstiche allergisch, sollte man lieber eine Art ohne Giftstachel wählen.

Damit fallen schon einmal Blattschneiderameisen und teure Urameisenarten weg.

Aber auch zwei Arten, die häufig Anfängern empfohlen werden, sind meiner Meinung nach nicht sonderlich gut geeignet, nämlich Camponotus ligniperda und Camponotus herculeanus. Im Lauf der Jahre habe ich sehr viele Threads in Foren und Posts in Facebookgruppen von Leuten gelesen, die Probleme mit diesen zwei Arten hatten. Daher würde ich sie keinem Anfänger empfehlen.

Geeignete Arten

Es gibt sehr viele Arten, die man bedenkenlos für den Einstieg empfehlen kann, die man unmöglich alle hier auflisten kann. Ich will daher lediglich einige wenige Arten vorstellen, die ich bereits gehalten habe und prima Einstiegsarten sind.

Aphaenogaster senilis

Diese südeuropäische Ameisenart stellt keine hohen Haltungsansprüche. Lediglich eine Wärmequelle ist für ein gutes Wachstum erforderlich. Sie fressen im Vergleich zu anderen Ameisenarten deutlich mehr Proteine. Diese werden in das Nest geschleppt, um dann die Larven auf die toten Insekten zu legen. Man kann dann gut beobachten, wie die recht flexiblen Larven fressen:

Aphaenogaster senilis tauscht keine flüssige Nahrung mittels Trophallaxis aus, sondern benutzt beispielsweise Erdpartikel, die sie in Zuckerwasser eingetaucht haben, zum Transport der Flüssigkeit in das Nest. Dort nehmen die anderen Ameisen das Zuckerwasser von diesem „Schwamm“ auf.

Winterruhe: ja (verkürzt)

Camponotus nicobarensis

Zwei Camponotus nicobarensis Arbeiterinnen transportieren ein Heimchen zum Nest

Während man vor einigen Jahren noch so gut wie nichts von dieser Art gehört hat, dürfte diese wohl mittlerweile die am häufigsten gehaltene exotische Art sein. Sie verzeihen Anfängerfehler und wachsen bei ausreichender Wärme und Proteinversorgung recht schnell. Auch sind sie sehr schön gefärbt und weder zu groß noch zu klein.

Einziger Wermutstropfen ist die etwas geringere Aktivität während des Tages bei kleineren Kolonien und der relativ hohe Preis.

Winterruhe: nein (legt allerdings ab und an Ruhephasen ein)

Camponotus vagus

Geflügelte Camponotus vagus Königin

Camponotus vagus ist eine meiner Lieblingsarten. Die Ameisen sind sehr schön schwarz gefärbt, sehr aktiv, haben einen guten Hunger und sind außerdem sehr groß (die Major-Arbeiterinnen können über 1 cm lang werden und die Königin ist noch größer). Auch in der Entwicklung sind sie sehr zügig. Gerade einmal 6 Wochen beträgt der Entwicklungszeitraum vom Ei bis zur Arbeiterin.

Camponotus vagus ist meiner Meinung nach Camponotus ligniperda und Camponotus herculeanus  als Einsteigerart überlegen. Während es bei den letzteren häufig zu Problemen wie langsames Wachstum und geringe Aktivität kommt, liest man davon bei Camponotus vagus nichts in den diversen Foren.

Damit sich die Ameisen gut entwickeln, ist auf jeden Fall eine Heizquelle, wie z. B. eine Heizmatte erforderlich.

Winterruhe: ja (voll oder verkürzt)

Formica rufibarbis

Formica rufibarbis Königin mit Arbeiterinnen in einem Gipsnest.

Formica rufibarbis liegt mit einer Größe von 5 – 7 mm (Arbeiterin) zwischen Lasius niger und Camponotus vagus. Es sind sehr aktive Ameisen, die man selbst bei einer geringen Koloniegröße bereits häufig beim Furagieren beobachten kann. Sie waren recht anspruchslos in der Haltung und bei ausreichendem Angebot an Insekten, wird die Kolonie recht schnell eine stattliche Größe erreichen.

Winterruhe: ja

Lasius niger

Lasius niger Arbeiterinnen nehmen Zuckerwasser auf.

Das ist wohl die am häufigsten in Europa gehaltene Art und die Art, mit denen die meisten Ameisenhalter mit dem Hobby beginnen.

Den Ruf als sehr gute Einsteigerart hat sie sich wahrlich verdient. Sie ist sehr robust in der Haltung und verzeiht so gut wie jeden Haltungsfehler. Auch ist sie meist zu einem Preis von wenigen € zu bekommen. Dabei ist die Art aber alles andere als langweilig. Bereits im ersten Jahr nach der Gründung kann die Art eine Größe von mehreren hundert Tieren erreichen und man kann bereits Ameisenstraßen beobachten.

Winterruhe: ja

Myrmica rubra

Auch sehr gut für den Einstieg geeignet ist Myrmica rubra. Zwar stellen sie höhere Anforderungen an die Nestfeuchtigkeit, doch wenn man dies beachtet, wird sich die Kolonie bei ausreichender Versorgung mit Insekten, sehr gut und schnell entwickeln. Da sie größer sind als Lasius niger, können sie leichter am Ausbrechen gehindert werden und sie lassen sich auch einfacher beobachten.

Die Art besitzt einen Giftstachel, daher sollten Menschen, die gegen Insektenstiche allergisch sind, diese sicherheitshalber meiden.

Winterruhe: ja

Zusammenfassung

Wie bereits oben gesagt, stellt die Liste nur einen sehr kleinen Ausschnitt dar. Wer sich für eine andere Art interessiert, der kann die oben genannten Eigenschaften („Was macht eine gute Einsteigerart aus?“) durchgehen und selber beurteilen, ob und was auf die Art zutrifft. Gerne helfen bei der Auswahl auch die diversen Ameisenforen weiter. Bis auf das Ameisenportal.eu sind auch alle bemüht, Einsteiger objektiv zu beraten.

Einzelne Königin oder Kolonie?

Einsteiger sollten meiner Ansicht nach immer mit einer kleinen Kolonie anfangen (10-50 Arbeiterinnen), denn zum einen wird man bei einer einzelnen Königin die ersten Wochen nichts großartig spannendes Beobachten können, zum anderen kann es sein, dass die Königin gar nicht begattet ist und daher ständig Eier gefressen werden, oder erst gar keine gelegt werden. Das kann einen Einsteiger nur unnötig verunsichern. Bei einer kleineren Kolonie, weiß man, dass das gröbste überstanden ist und man kann trotzdem hervorragend die Entwicklung beobachten und sehen, wie die Aktivität von Woche zu Woche steigt.

Schlusswort

Ich hoffe, dass ich euch mit dem Beitrag bei der Wahl der Ameisenart helfen konnte und wünsche euch viel Spaß beim Hobby der Ameisenhaltung.

7 Gedanken zu „Mit welcher Ameisenart anfangen?“

  1. Schöner Guide. Leider wurde in den Foren über Jahre hinweg zu viel Unsinn zu diesem Thema geschrieben. Auch wird es auf diese Frage nie eine allgemeine Antwort geben, denn jeder zukünftige Halter hat andere Vorstellungen und bringt andere Voraussetzungen mit.

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    • Danke.

      Ja leider und man wird das ganze auch noch Jahrelang via Google finden… Aber zum Glück kann man ja mittlerweile in fast allen Foren offen darüber diskutieren und man wird nicht mehr mundtot gemacht, nur weil man es gewagt hat, eine exotische Ameise einem Anfänger zu empfehlen. Wenn ein Neuling fragt, welche Ameisenarten ohne Winterruhe geeignet sind, dann brauche ich dem nicht eine einheimische Art aufzwingen (was ja leider auch oft früher passierte).

      Wie vieles in der Ameisenhaltung ist das ganze auch subjektiv.

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  2. Tolle Zusammenfassung!

    Zwei kleine Fehler die mir beim Lesen aufgefallen sind: In dem Abschnitt über die sehr kleinen Arten soll es wohl lauten „heruntergefallene Ameisen“ und später in dem Abschnitt zu Camponotus vagus, im Vergleich zu den anderen beiden Rossameisenarten, fehlt das Adjektiv („überlegen“?).

    Wie ist die Gefahr der intraspezifischen Homogenisierung zu bewerten, beim Aussetzen einheimischer Arten, bei denen man den Fundort nicht kennt?

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    • Vielen dank!

      Ich habe die Fehler korrigiert.

      Ich halte nichts von der Gefahr durch intraspezifische Homogenisierung. Wenn eine Unterart schlechter angepasst ist, dann wird sie sich auch nicht stärker vermehren als die besser angepasste Art. Daher halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass die besser angepassten Populationen ihre Anpassungen durch die schlechter angepassten verlieren werden. Alles andere würde der Evolutionstheorie widersprechen.

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      • Denke auch mal, dass es eine sehr abstrakte Gefahr ist. Um mal etwas konkreter zu werden, es gibt eine Myrmica-Art, bei der eine Anpassung an nördliche bzw. südliche Verbreitungsräume vorliegen soll. Und zwar in der Form von einer früheren bzw. späteren Aufnahme des Brutgeschäfts. In der Tat ist es schwer auszumalen, welche konkreten Folgen eine Durchmischung dieser Populationen haben könnte. Damit zu argumentieren, dass die vorteilhaftere Ausprägung sich auf lange Sicht ohnehin durchsetzen wird, finde ich durchweg schlüssig.

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  3. Der Begriff der „Intraspezifischen Homogenisierung“ wurde in der Welt der Ameisenhalterforen oftmals falsch verwendet, da man suggerieren wollte, dass die Art lokal aussterben würde, da sie ihre Anpassung verliert. Das widerspricht in der Tat der Evolution, da sich besser angepasste Populationen durchsetzen. Daher ist die Gefahr wohl zu vernachlässigen. „Intraspezifische Homogenisierung“ meint vielmehr das „Aussterben“ von Unterarten durch Vermischung der Gene mit denen einer anderen Unterart. Dies bedeutet nicht, dass eine Art lokal verschwindet, es geht eben die genetische „Einmaligkeit“ dieser Unterart verloren. Ob sich dies auf lange Sicht negativ auf die lokale Population auswirkt, sei mal dahingestellt.

    Die Gefahr ist sehr theoretisch, aber auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings muss man anzweifeln, dass Ameisenhalter die wirkliche Gefahr sind. Auf anderen Wegen werden deutlich mehr „Blinde Passagiere“ verbracht.

    Provokativ kann man abschließend fragen, ob es nicht an der Zeit, dass der Mensch sich damit abfindet, dass er ein Katalysator für die Evolution ist. 😉

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    • Wenn eine Art erst mal komplett ausgestorben ist in einem Land, dann scheint es recht egal zu sein, woher man die Tiere für eine Wiederansiedlung bekommt. Die Biber, die man in Deutschland angesiedelt hat, stammten ja aus Russland und Schweden…

      Alles total lächerlich und das Argument dient nur dazu, dass man generell gegen jeglichen Ameisenhandel argumentieren kann.

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